Luxemburgs Kriegsanstrengungen

In einem New York Times Arti­kel vom 17. Februar bes­chreibt die ame­ri­ka­nische Jour­na­lis­tin Lara Jakes, wie eine win­zige NATO-Nation ein großes Pro­blem in den Griff bekam : das Pro­blem der Bewaff­nung der Ukraine. Das fra­gliche win­zige Land, das es so dank sei­ner Krieg­sans­tren­gun­gen in eine der welt­weit größ­ten Zei­tun­gen ges­chafft hat, ist kein anderes als mein Hei­mat­land : Luxemburg !

Aus Ame­ri­ka erfah­ren wir so, dass der grüne Ver­tei­di­gung­smi­nis­ter Luxem­burgs, Fran­çois Bausch, keine Mühe scheut der Ukraine bei ihrer Krieg­srüs­tung zu hel­fen. Herr Bausch, der noch vor ein paar Wochen stolz auf RTL behaup­tete, er sei als Grü­ner nie Pazi­fist gewe­sen, sah keine andere Alter­na­tive für Luxem­burg als Waffenbeistand.

Nun stößt das Arse­nal von Luxem­burgs 900-Mann Armee mit sei­nen leicht bewaff­ne­ten Frei­willi­gen, schnell an seine Gren­zen. Rake­ten, Bom­ben und Pan­zer hat Luxem­burg zwar keine, aber dafür immer wie­der ers­taun­liche Gel­dre­ser­ven. In einem his­to­risch erst­ma­li­gen Ent­schluss war Luxem­burgs Frie­dens­beis­tand so schnell ent­schie­den wie die Bankü­ber­wei­sun­gen der ents­pre­chen­den Steuer­gel­der. Mithilfe eines 94 Mil­lio­nen Dol­lar Ver­trags, will das grün-rot-libe­rale Luxem­burg Bausch zufolge zei­gen, dass man Putin nicht tun las­sen kann, was er beabsichtigt.

Lei­der konn­ten die hau­sei­ge­nen Waf­fenhänd­ler der­zeit nur 600 Rake­ten aus der Sow­jetä­ra habhaft machen ; nur ein Zehn­tel also der beab­sich­ti­gen 6000. Die Anschaf­fung von sow­je­ti­schen Waf­fen benö­tigte höchste Dis­kre­tion. Das erklärt, weshalb man Luxem­burgs finan­zielle Krieg­shilfe auf den unte­ren Stu­fen des Trans­pa­ren­zin­dexes des Kie­ler Ins­ti­tuts für Welt­wirt­schaft fin­det. Aber mit dis­kre­ten Ges­chäf­ten hat man imme­rhin ein erwie­senes Know-How.

94 Mil­lio­nen Dol­lar, so Bausch zufrie­den in der New York Times, machen gut 16% des natio­na­len Ver­tei­di­gung­sbud­gets aus. Damit gehört Luxem­burg neben Litauen mit 41%, Est­land mit 37% und Let­tland mit 16,7% zu den vier NATO-Mit­glied­ss­taa­ten, die den größ­ten Teil ihres Ver­tei­di­gung­sbud­gets an die Ukraine über­wie­sen haben. Dage­gen haben Luxem­burgs Nach­barlän­der Deut­schland 2,4%, Bel­gien 1,9% und Fran­kreich 0,5% ihres Ver­tei­di­gung­sbud­gets zum bewaff­ne­ten Frie­den bei­ges­teuert. Den­noch : mit sei­nen 130’000 $ Pro Kopf-BIP, und das macht die NY-Times den Luxem­bur­gern sehr deut­lich, gibt es hier noch viel Luft nach oben.

Eigent­lich war Luxem­burg bisher eher russ­land­freund­lich. Die zwei letz­ten sozia­lis­ti­schen Wirt­schafts­mi­nis­ter haben imme­rhin ihr poli­tisches Man­dat wohl­wol­lend abge­legt, um Ver­wal­tungs­rä­ten von rus­si­schen Invest­ment­fir­men und Ban­ken mit ihren wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Kon­takt-Net­zen bei­zus­te­hen. Glaubt man auch der luxem­bur­gi­schen Wirt­schafts­zeit­schrift Paper­jam, so betrie­ben bis Februar 2022 ein Drit­tel der reichs­ten rus­si­schen Oli­gar­chen gut 90 luxem­bur­gische Investmentfirmen.

Der Ver­tei­di­gung­smi­nis­ter erklärt nun aber sei­nen mora­li­schen Sin­nes­wan­del mit den tie­fen Ein­sich­ten von Yuval Noah Hara­ri. Mit des­sen leicht verständ­li­chen Wis­sen­schafts­po­pu­lis­mus wur­den auch den Luxem­bur­ger Ent­schei­dung­strä­gern die mora­li­schen Krieg­sziele leicht verständlich.

Denn Hara­ri zufolge gab es nichts, was den Ukraine-Krieg hätte vorau­sah­nen las­sen. Es sei denn, Putins Traum das rus­sische Impe­rium wie­de­rher­zus­tel­len. Nach Hara­ris Psy­cho­his­to­rie, sieht sich Putin, der mit den Ges­chich­ten von deut­schen Gräuel­ta­ten und rus­si­scher Tap­fer­keit auf­wuchs, jetzt selbst in der Rolle Hit­lers. Die wohl bekann­ten Hara­ri Ges­chich­ten aus der Pers­pek­tive des Jäger-Samm­ler Gehirns.

Wie die Ukraine in Hara­ris Ges­chichts­my­tho­lo­gie, kann auch Luxem­burgs Nation­bran­ding auf eine stolze tau­send­jäh­rige Ges­chichte zurück­bli­cken, die sich vor­wie­gend durch den ein­heit­li­chen und unge­bro­che­nen Widers­tand gegen Inva­so­ren kenn­zeich­net. Wir waren im letz­ten Jah­rhun­dert viele Male okku­piert, erklärt Bausch, daher haben wir eine enorme Sen­si­bi­lität dafür … was jetzt in der Ukraine passiert.

Wie die luxem­bur­gische Groß­her­zo­gin Char­lotte, die im Lon­don der 40er-Jah­ren an der Seite Chur­chil­ls gegen den deut­schen Aggres­sor über die BBC-Wel­len kämpfte, so kämpft der luxem­bur­gische Ver­tei­di­gung­smi­nis­ter also heute mit den Waf­fen des mora­li­schen Neo­li­be­ra­lis­mus gegen den rus­si­schen Hit­ler. Damit wäre aber­mals bewie­sen : Luxem­burgs Ges­chichte ist die Ges­chichte der his­to­ri­schen Selbst­be­haup­tung eines Landes gegen die feind­li­chen Angreifer.

2 Comments

  1. Lie­ber Thierry

    Ich hatte heute Mor­gen etwas Zeit als ich die Mails durch­sah, und ich ent­schied mich, mit Freude dei­nen neues­ten Blog zu lesen. Und war nach der Lektüre per­plex – zwiespäl­tig enttäu­scht. Sodass ich, obwohl nach­mit­tags kaum Zeit, spon­tan widers­pre­chen ‹muss›. Nicht dass du die Regie­rung deines Landes kri­ti­scher Betrach­tung unter­ziehst, das ist dein Recht (viel­leicht sogar « Bür­gerp­flicht »), auch nicht, dass du dich gene­rell gegen die finan­zielle Unterstüt­zung der Ukraine, im Beson­de­ren gegen den ver­gleichs­weise hohen Bei­trag Luxem­burgs auss­prichst. Aber über die ‹Optik› – dei­nem fak­ti­schen und moral point of view -, mit dem du an das von dir erkannte Pro­blem heran­gehst ; und nament­lich über die, wie mir scheint, kon­no­ta­tive Wort­wahl, zu der du dich ent­schie­den hast und damit m.E. in die Irre führst.

    Zwiespäl­tig, weil du einer­seits mit der gros­sen Bele­sen­heit, für die ich dich bewun­dere, und akri­bi­scher Recherche – z.B. die bis auf eine Kom­mas­telle prä­zi­sen Anga­ben über die pro­zen­tuale Unterstüt­zung der Ukraine durch ver­schie­dene Län­der, gemes­sen am jewei­li­gen Verteidigungs¬haushalt – dich aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht an die Fra­ges­tel­lung heran­gehst, und ander­seits weil du für dein ver­nich­tendes Urteil mora­lisch so auf­ge­la­dene Begriffe ver­wen­dest. Das beginnt bei der Über­schrift : Krieg­sans­tren­gun­gen (Luxem­burgs, nicht Russ­lands!). Aber eigent­lich übe­rhaupt wie du von « Krieg » sprichst. Wenn man in der rus­si­schen Nomenk­la­tur blei­ben möchte : es soll hier nicht um Krieg gehen, son­dern um eine militä­rische Son­de­rak­tion – also weit unter der Schwelle eines Krieges, dann könnte kein Bei­trag Luxem­burgs als « Krieg­sans­tren­gung » bezeich­net wer­den. Es sei denn, man ver­tau­scht Täter gegen Opfer. 

    Auch wenn man die­ser Spra­chre­ge­lung nicht folgt, scheint mit die Cha­rak­te­ri­sie­rung der Finanz­leis­tun­gen Luxem­burgs an die Ukraine als « Krieg­sans­tren­gung » leicht­fer­tig und nicht begründ­bar. Weil meine Aus­bil­dung in Staats- und Völ­ker­recht schon eine kleine Ewig­keit zurü­ck­liegt (das ers­tere obli­ga­to­ri­scher, das zweite fakul­ta­ti­ver Bes­tand­teil des dama­li­gen Stu­diums der Volks­wirt­schaft), habe ich mich im Inter­net ver­sucht, über den Begriff Krieg, Krieg­spar­tei und Nicht-Krieg­spar­tei etwas klü­ger zu machen. Die kurze Recherche hat meine Erin­ne­rung – mein Vorur­teil, wenn du will­st – bestä­tigt. Sprach man nach dem ‹alten› Krieg­svöl­ker­recht noch von Krieg, ist die Situa­tion heute, nach dem Briand-Kel­log-Pakt von 1928 und der UNO-Char­ta, verän­dert. Es gibt für ‹inter­na­tio­nale bewaff­nete Kon­flikte› « recht­lich grund­sätz­lich keine Grund­lage mehr – mit Aus­nahme des Ver­tei­di­gung­skrieges » (Tal­man 2022-05-04), ähn­lich : (Stu­der 2023-02-04), (Wis­sen­schaft­liche Dienste Des Deut­scher Bun­des­tages 2007). Und es kommt im Unter­schied zur frü­her, als Kriege noch ‹erklärt› wur­den, nicht mehr auf den sub­jek­ti­ven Willen der Staa­ten an, son­dern aus­schliess­lich auf den Tatbestand.

    Wie man immer die ‹Vor­ges­chichte› des Ukraine-Krieges beur­tei­len will – ob von der Aufrüs­tung der west­li­chen Nach­bars­taa­ten Russ­lands, der NATO oder/und der Ukraine ‹pro­vo­ziert›, wie es bei der AfD etwa lau­tet, oder von der Wie­der-Errich­tung des zaris­ti­schen bis sow­je­trus­si­schen Impe­ria­lis­mus ‹indi­ziert› – die rus­sische ‹militä­rische Spe­zia­lo­pe­ra­tion› als militä­rische Gewal­tan­wen­dung gegen die Ukraine ist mit dem Völ­ker­recht nicht verein­bar. Die ukrai­nische Selbst­ver­tei­di­gung – und bisher blieb es nach mei­nen Infor­ma­tio­nen auf ukrai­ni­schen Militä­ro­pe­ra­tio­nen allein auf eige­nem Ter­ri­to­rium – hin­ge­gen ist völ­ker­recht­lich ges­chützt. « Stie­fel auf dem Boden » (Stu­der 2023-02-04), (die Bas­ler Profn. für Völ­ker­recht Anna Petrig zitie­rend), und zwar auf frem­dem Boden, hat allein Russ­land. Wenn die Ukraine in der Folge als ‹Krieg­spar­tei› bezeich­net wird, so ist sie dies jeden­falls nicht aus eige­nem Willen gewor­den, son­dern diese Stel­lung wurde ihr gegen ihren Willen durch den rus­si­schen Über­griff – schon 2014 mit der Beset­zung der Krim – oktroyiert. Für mich ist deshalb– als poli­tisches und sozia­le­thisches, also immer auch revi­dier­bares Urteil – klar, wem die Soli­da­rität der unter der UNO-Char­ta verein­ten « Völ­ker­ge­mein­schaft » zu gel­ten hat. 

    Von da her gese­hen, finde ich die Über­schrift « Luxem­burgs Krieg­sans­tren­gun­gen » falsch, ein bashing Luxem­burgs. Als ob es ‹damals›, im Zwei­ten Welt­krieg, eine Krieg­sans­tren­gung der Schweiz – mit deren aus dem alten Völ­ker­recht stam­men­den Neu­tra­litäts­po­li­tik ich inner­lich im Streit liege – gewe­sen wäre, hätte sie – was m.W. nicht der Fall war, Luxem­burg finan­ziell unterstützt, als euer Land, von Ost und West militä­risch über­rannt, gegen sei­nen Willen zur ‹Krieg­spar­tei› gewor­den war. Ich wäre deshalb froh, du wür­dest deine Posi­tion, oder die Begrün­dung dei­ner Posi­tion über­den­ken ; es könnte dann auch die mir pole­misch erschei­nende Ver­bin­dung zu « Luxem­burgs Ges­chichte … der his­to­ri­schen Selbst­be­haup­tung » als einem Natio­nal-Mythos, oder wie man heute sagt : einem selbs­te­rhö­hen­den Nar­ra­tiv, wie es sich lei­der in vie­len Län­dern, gerade auch der Schweiz lesen lässt, entfallen. 

    Mit herz­li­chen Grüssen
    Hans-Balz
    Dr.oec.publ., Prof.em. für Sozia­le­thik, Uni­ver­sität Bern

    - Stu­der, P. (2023 – 02-04) « Wes­thalb kein west­li­cher Staat Krieg­spar­tei ist. Der Krieg in der Ukraine hält an, die Frage, wer Krieg­spar­tei ist, wird viru­len­ter. Was sagt das Völ­ker­recht ? » SRF News – Inter­na­tio­nal, https://​www​.srf​.ch/​n​e​w​s​/​i​n​t​e​r​n​a​t​i​o​n​a​l​/​k​r​i​e​g​-​i​n​-​d​e​r​-​u​k​r​a​i​n​e​-​w​e​s​h​a​l​b​-​k​e​i​n​-​w​e​s​t​l​i​c​h​e​r​-​s​t​a​a​t​-​k​r​i​e​g​s​p​a​r​t​e​i​-​ist.

    - Tal­man, S. (2022 – 05-04) « Krieg­spar­tei oder nicht Krieg­spar­tei ? Das ist nicht die Frage. » DOI : 10.17176/20220505 – 062322‑0.

    - Wis­sen­schaft­liche Dienste des Deut­scher Bun­des­tages (2007) « Die völ­ker­recht­liche Defi­ni­tion von Krieg. Sachs­tand. » https://www.bundestag.de/resource/blob/494606/1e69675dfb469de68e2ba1d507324395/WD‑2 – 175-07-pdf-data.pdf.

  2. Lie­ber Hans-Balz,

    meine Kri­tik an der luxem­bur­gi­schen Krieg­spo­li­tik – ich weiß, öffent­lich nennt man das „Ver­tei­di­gung­spo­li­tik“ – hat also Dei­nen Erwar­tun­gen mir gegenü­ber nicht ents­pro­chen und hat Dich, dem Wort­sinn zufolge, mir gegenü­ber desillu­sio­niert. Welche Illu­sio­nen das wohl waren ? 

    Wir schei­nen uns aber zuerst ein­mal über die Idee des Rechts und sogar der Bür­gerp­flicht von Regie­rung­skri­tik einig zu sein. Im Kon­kre­ten, jedoch, wenn es um den Inhalt geht, schei­nen die Dinge dann anders zu liegen.

    Wenn Du von Luxem­burg-Bashing schreibst, scheinst Du auf unzuläs­sige, oder wenig­stens unü­ber­legte oder sogar unsin­nige Kri­tik hin­zu­wei­sen. Und das unzuläs­sige mei­ner Kri­tik bestünde, wenn ich Dich recht vers­tehe, in der gewollt irrefüh­ren­den Ver­mi­schung von rich­ti­ger Infor­ma­tion und mani­pu­la­ti­ver, mora­li­sie­ren­der Rhe­to­rik. Wenn ich das recht deute, stehe ich im Gan­zen auf der „fal­schen Seite“ und ver­suche die Opfer in Täter oder gar die Täter in Opfer zu verwandeln ? 

    Das lässt mich per­plex, da ich absicht­lich keine Stel­lung zur Schuld­frage des Ukrai­ne­kriegs genom­men habe. Opfer sind offen­sicht­lich alle die Sol­da­ten und Zivi­lis­ten, die in sol­chem Krieg das Leben ver­lie­ren, verstüm­melt, gefol­tert und ver­ge­wal­tigt wer­den. Opfer des Kriegs sind also alle die, die im „Krieg­sfeld“ ste­hen. Und Opfer sind alle die­je­ni­gen, die noch Gene­ra­tio­nen danach an den kör­per­li­chen und see­li­schen Kon­se­quen­zen dieses Kriegs zu lei­den haben. Täter sind die­je­ni­gen, die das ent­we­der direkt, oder von ihrem Schreib­tisch her aus­den­ken, pla­nen, veran­las­sen und bezah­len. Es gibt die direk­ten Täter, und die Schreib­ti­schtä­ter. Zu den Letz­te­ren gehö­ren alle Krieg­sher­ren und Pla­ner und Investoren. 

    Mein The­ma war jedoch nicht der Ukrai­ne­krieg an sich, der in Dei­nem mora­li­schen Kom­pass so ein­deu­tig scheint, und ganz sicher nicht die mora­lische Frage des Rechts und Unrechts des Angriff­skriegs. Ich bin sogar über­zeugt, dass diese Frage im Moment auße­rhalb der Krieg­spro­pa­gan­da gar nicht ein­mal fass­bar ist. 

    Ich schätze, Du kennst die „Prin­zi­pien der Krieg­spro­pa­gan­da“ der bel­gi­schen His­to­ri­ke­rin Anne Morel­li. Die klingt ungefähr so : „Wir woll­ten kei­nen Krieg“, „der Gegner allein ist für den Krieg verant­wort­lich“, „wir ver­tei­di­gen nur edle Ziele“, wir haben die Moral auf unse­rer Seite, – wir machen Krieg, wie im Viet­nam, oder wie im Irak, oder letzt­lich wie im „Unter­neh­men Bünd­niss­treit­macht“ mit Streu­bom­ben und Uran­mu­ni­tion (Ser­bien hat noch heute die höchste Rate von Lun­gen­krebs in Euro­pa) für die Demo­kra­tie, für das Recht auf Selbst­bes­tim­mung. Oder, mein Lie­bling­soxy­mo­ron, das Du viel­leicht sogar unter­zeich­nen wür­dest : wir machen „Krieg für den Frie­den“. Zum Ver­laut­ba­rung­sjour­na­lis­mus und zur poli­ti­schen Pro­pa­gan­da gehört selbst­verständ­lich auch, dass wer „unsere“ Ver­sion in Zwei­fel zieht, den Feind unterstützt. Etwas davon glaube ich, aus Dei­ner Kri­tik herauszuhören.

    Auf dieses Krieg­spro­pa­gan­da-Ter­rain wollte und will ich mich nicht bege­ben. Wenn Du Dir heute, ohne jegli­chen his­to­ri­schen und poli­ti­schen Ana­ly­sen zumu­test, für die es noch Jahre benö­ti­gen wird, eine klare, sichere, und zwei­fel­los mora­lisch, his­to­risch und poli­tisch rich­tige, nicht pro­pa­gan­da­ge­la­dene Ein­schät­zung der Situa­tion zu haben, möchte ich Dir gerne zuhö­ren und etwas von Dir ler­nen. Ich hege jedoch der­zeit noch ein paar Zwei­fel an die­ser Sicherheit.
    Ich ver­suche im fol­gen­den auf Deine Argu­mente zu ant­wor­ten. Der Reihe nach, da ich mir nicht sicher bin den Zusam­men­hang zwi­schen Dei­nen Kri­tik­punk­ten recht zu verstehen.
    Zuerst scheint Dir mein Titel aus der rus­si­schen Pers­pek­tive schlecht gewählt. Auf jeden Fall müsste der Titel also dann etwa heißen : „Luxem­burgs militä­rische Son­de­rans­tren­gun­gen“? Ent­behrt nicht jegli­chen Humors. 

    Wie­so soll­ten wir denn eine rus­sische Pers­pek­tive ein­neh­men ? Ich glaube, ich kenne die Ant­wort die­ser Anspie­lung : Du scheinst mir zu unters­tel­len, dass wenn ich nicht mit Dei­ner Aus­le­gun­gen der Tat­sa­chen übe­reins­timme, ich also auf der Seite Putins stehe und in Unterstüt­zung des „rus­si­schen Hit­lers“ die militä­rische Son­de­rak­tion Luxem­burg verur­tei­len würde.
    Das wäre in etwa das genau Gegen­teil des­sen, was ich beans­pruche. Aber genau das ist ja das Kenn­zei­chen der Krieg­spro­pa­gan­da : Wer nicht an unse­rer Seite gegen das Böse kämpft, wer sich, wie ich, für huma­nitäre Hilfe oder für mehr diplo­ma­tische Ans­tren­gun­gen in Rich­tung Frie­den ein­setzt, als für Bom­ben, der ist für den Krieg, oder für den Gegner. Hier sprichst Du also wie Herr Busch im Sep­tem­ber 2001 : „Either you are with us, or you are with the ter­ro­rists.“ Weder noch, lie­ber Hans-Balz.

    Wenn wir aber das unter­sch­wel­lige Urteil meines hypo­the­ti­schen „Putin­vers­te­hens“ weglas­sen, und vom tatsä­chli­chen Krieg spre­chen, dann wäre mein Titel Dei­ner Mei­nung nach trotz­dem noch „leicht­fer­tig“, also unü­ber­legt, unbe­son­nen oder leichtsinnig. 

    Ist das so ?

    Nicht leicht­fer­tig wäre es also Dei­ner Mei­nung nach in die­ser Frage, sich aus­schließ­lich auf das neuere Völ­ker­recht zu bezie­hen. Ange­nom­men, das wäre so. Nach die­sem Völ­ker­recht ist der rus­sische Angriff­skrieg nicht zuläs­sig. Das will ich Dir sehr gerne glauben. 

    Dann vers­tehe aber nicht, inwie­fern die Lega­lität oder Ille­ga­lität der rus­si­schen Stie­fel auf ukrai­ni­schem Boden den Aus­druck „Krieg­sans­tren­gung“ in Bezug auf Luxem­burg leicht­fer­tig macht. Ganz im Gegen­teil : Du erin­nert daran, dass der Ver­tei­di­gung­skrieg völ­ker­recht­lich ges­chützt ist. Also kann ein Ver­tei­di­gung­skrieg juris­tisch klar gekenn­zeich­net wer­den. Also ist die Ukraine in einen Ver­tei­di­gung­skrieg involviert. 

    Wenn das wahr ist, und das glaube ich, dann ist aber die luxem­bur­gische Bom­ben-Hilfe eine Ver­tei­di­gung­skrieg­shilfe. Also eine Krieg­sans­tren­gung auf der Seite der Ver­tei­di­gung in einem Krieg. 

    Wo ist hier der Leicht­sinn, oder das Unü­ber­legte ? Deine Kri­tik scheint mei­nen Titel und das damit gemeinte sowohl von der Logik als auch vom Tat­bes­tand her zu rechtfertigen.
    Ich schätze, Du wür­dest die tri­viale Behaup­tung, dass Bom­ben und Rake­ten in einer Krieg­ssi­tua­tion den ein­zi­gen Zweck haben, so viele gegne­rische Sol­da­ten zu töten oder zu verstüm­meln wie möglich, nicht abs­trei­ten ? Wenn Luxem­burgs „Ver­tei­di­gung­spo­li­tik“ sich also dazu ent­schei­det, vom Schreib­tisch aus, 90 Mil­lio­nen in das Töten, Verstüm­meln und Trau­ma­ti­sie­ren, aber nur 20 Mil­lio­nen in die huma­nitäre Hilfe zu inves­tie­ren, dann stellt das Wort „Krieg­sans­tren­gung“ meines Erach­tens sogar noch einen Euphe­mis­mus dar : Mord­gelüste oder „Krieg­srausch“ und „Trun­ken­heit des Kriegs“, wie es ein gewis­ser Schwei­zer Bun­des­rat vor ein paar Wochen for­mu­lierte, schei­nen mir hier viel zutreffender. 

    Was meine zwei­fel­hafte Moral anbe­trifft, die Du in der Nähe der AfD ansie­del­st, wie­der unter­sch­wel­lig, und dann mithilfe von Kon­takt­schuld als recht­sex­trem kenn­zeich­nest, so muss ich Dir auch dabei widers­pre­chen. Meine mora­lische Posi­tion ist die des Pazi­fis­mus. Das heißt, ich lehne jede Anwen­dung von Gewalt, und das heißt Bom­ben, Rake­ten, Pan­zer, Gra­na­ten, usw. ablehnt und mit aller Kraft für den Frie­den eintritt :

    „P. ist eine poli­tisch-mora­lische Über­zeu­gung bzw. Wel­tan­schauung, die den Ein­satz von Gewalt, insb. von militä­ri­scher Gewalt und von Krie­gen als Mit­tel zur Durch­set­zung von Inter­es­sen ablehnt und aus­schließ­lich fried­liche und gewalt­freie Akti­vitä­ten (z. B. gewalt­lo­sen Widers­tand) dul­det.“ (BpB : https://​www​.bpb​.de/​k​u​r​z​-​k​n​a​p​p​/​l​e​x​i​k​a​/​p​o​l​i​t​i​k​l​e​x​i​k​o​n​/​1​8​0​0​1​/​p​a​z​i​f​i​s​m​us/

    Wenn Gand­hi, Ber­tand Rus­sell oder die kürz­lich vers­tor­bene Ber­tha von Sutt­ner in Dei­nen Augen Fürs­pre­cher der Rechts­ra­di­ka­len sind, dann möchte ich auch gerne als rechts­ra­di­kal in Dei­nen Augen gel­ten. Dieses Desillu­sio­nie­ren kann ich Dir nicht ers­pa­ren. Selbst­verständ­lich könn­ten wir hier über M. L. Kings Kri­tik des Pazi­fis­mus und die Not­wen­dig­kei­ten des „rea­lis­ti­schen“ gewalt­lo­sen Widers­tands streiten. 

    Aber die orwellsche Ver­keh­rung des Pazi­fis­mus in Bel­li­zis­mus oder sogar in Recht­sex­tre­mis­mus scheint mir nicht nur leicht­sin­nig, son­dern mora­lisch und poli­tisch äußerst pro­ble­ma­tisch. Selbst­verständ­lich kann man solche Ver­keh­run­gen leicht mithilfe von Strohmän­nern und Anspie­lun­gen und Ablen­kung vom The­ma rhe­to­risch gut zur Gel­tung brin­gen. Ein rich­tiges Argu­ment für die Auf­he­bung von diplo­ma­ti­schen Frie­den­sans­tren­gun­gen zuguns­ten von Waf­fenkäu­fen bie­ten sie jeden­falls nicht. 

    Mit alle­dem haben wir aber jetzt meine Kri­tik an Luxem­burgs Kriegs- oder militä­ri­schen Son­de­rans­tren­gun­gen, und die Ent­schei­dung, Rake­ten huma­nitä­rer Hilfe vor­zu­zie­hen, nicht ein­mal berührt. Zumal die ein­zig offi­zielle Erklä­rung dazu war, man dürfe den Putin nicht machen las­sen, was er tun möchte. 

    Auch, dass hin­ter all die­sem poli­tisch-wirt­schaft­lich-militä­ri­schen Mar­ke­ting des Stell­ver­tre­ter­kriegs, für den die Ukrai­ner schon mit mehr als 100’000, eini­gen Quel­len zufolge viel­leicht mehr als 200’000 Leben gezahlt haben, in der luxem­bur­gi­schen Wirk­li­ch­keit eine Mil­liar­den-Invest­ment-Stra­te­gie über 15 Jahre steckt, die Luxem­burg in den wirt­schaft­li­chen Genuss des ers­ten „mul­ti-sou­verä­nen“ Risi­ko­ka­pi­tal­fonds der Welt brachte (Jens Stol­ten­berg), haben wir nicht ein­mal erwähnt. Luxem­burg wird jetzt an vor­ders­ter Front für die NATO mit rus­si­scher und chi­ne­si­scher Tech­no­lo­gie zu kon­kur­rie­ren ver­su­chen, und sich in den Frie­dens­tech­ni­ken der Über­wa­chung, der Cyber­si­che­rheit, der Solar­droh­nen und Militär­sa­tel­li­ten hervortun.

    Ja, lie­ber Hans-Balz, in mei­ner fragwür­di­gen Anti-Krieg­smo­ral, in mei­ner leicht­fer­ti­gen Gewalt­kri­tik haben das Leben und das Ver­mei­den von kör­per­li­chen und see­li­schen Lei­den oberste Prio­rität. Denn nur wer lebt und nicht lei­det, kann nach­her über die Schuld­frage, das Recht und die Moral debat­tie­ren und ent­schei­den. Mit San­taya­na denke ich, dass nur die Toten das Ende des Kriegs je erlebt haben. Und wie Hen­ry David Tho­reau beim mexi­ka­nisch-ame­ri­ka­ni­schen Krieg (1846 – 48), denke auch ich daran, meine Steuer­zah­lun­gen für den neuen luxem­bur­gi­schen militä­risch-indus­triel­len Kom­plex (ich schätze, Du kennst Ch. Wright Mil­ls The Power Elite von 1956) einzustellen.

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