Bedrohte Wissenschaftler

« Science is the belief in the igno­rance of experts. »

(What is Science ? Richard Feyn­man. The Phy­sics Tea­cher Vol. 7, issue 6, 1968, S. 313 – 320)

Feyn­mans Bon­mot ist tie­fer, als es zunächst anmu­tet. Denn es deu­tet weni­ger auf eine Kri­tik der Wis­sen­schaft, als auf deren Defi­ni­tion. Wis­sen­schaft ist „das Ergeb­nis der Ent­de­ckung, dass es sich lohnt, [die Erfah­rung] durch neue, direkte Erfah­run­gen zu über­prü­fen und, dass es sich nicht unbe­dingt lohnt, sich auf die ver­gan­gene men­schliche Erfah­rung verlassen“.

Was Feyn­man hier bes­chreibt, bezieht sich selbst­verständ­lich in ers­ter Linie auf die soge­nannte „reine Wis­sen­schaft“ (oder den nor­ma­ti­ven Begriff der Wis­sen­schaft). Selbst­verständ­lich war solche „reine Wis­sen­schaft“ immer schon erkennt­nis­theo­re­tische Utopie.

Als finan­zia­li­siertes Pro­duk­tions­mit­tel misst sich Wis­sen­schaft jedoch nur noch sekundär an Wis­sen und Erfah­rung. Als Inves­ti­tions­pro­dukt ist Wis­sen­schaft, wie andere Finanz­pro­dukte auch, auf Maxi­mie­rung der Divi­den­den­ren­dite von Pri­va­tan­le­gern und staat­li­chen Inves­to­ren angelegt.

Die Ent­wi­ck­lung und der Schutz der Wis­sen­schaft bedeu­tet dann an ers­ter Stelle : Schutz von Inves­to­ren und Siche­rung der Ren­dite des staat­lich-pri­va­ten Joint-Ven­ture-Kapi­tals. Koste es, was es wolle.

Aber wenn es um die Inves­ti­tions­ren­dite geht, soll­ten die Frei­heit der Wis­sen­schaft sowie die Mei­nung­sfrei­heit den­noch im öffent­li­chen Dis­kurs staat­lich ein­ges­chränkt und als Des­in­for­ma­tion gesetz­lich regu­liert wer­den (siehe z. B.: die „Com­mis­sion Bron­ner“ in Fran­kreich). Hin­ter den bedroh­ten „Wer­ten“ der Wis­sen­schaft, die bedroh­ten Werte der Inves­to­ren. Wis­sen­schafts- und Wah­rheits­schutz wer­den dann drin­gen­der denn je.

In einer RTL Carte Blanche vom 2. Dezem­ber 2022 bek­lagt sich Dr. Marc Schiltz, Prä­sident der Orga­ni­sa­tion Science Europe der Europäi­schen Kom­mis­sion und CEO des luxem­bur­gi­schen For­schung­sfonds (FNR), über die Gefah­ren, denen einige Wis­sen­schaft­ler wäh­rend der „Covid-Krise“ aus­ge­setzt waren.

Der Erfolg und die poli­tische Rele­vanz ihrer Ein­griffe hat­ten bedauer­li­cher­weise eine „dunkle Seite“. Wis­sen­schaft­ler, wie es der „extreme Fall“ des bel­gi­schen Marc van Ranst dar­legt, waren näm­lich wäh­rend der Krise den Beläs­ti­gun­gen und Mord­dro­hun­gen einer „Mino­rität von Ver­schwö­rung­stheo­re­ti­kern“ ausgesetzt.

Auch in Luxem­burg waren Wis­sen­schaft­ler, so der Haupt­ges­chäftsfüh­rer des staat­li­chen For­schung­sfonds, ano­ny­men oder nicht ano­ny­men Nachrich­ten, Brie­fen und Kom­men­ta­ren in den sozia­len Medien aus­ge­setzt. Deshalb soll­ten „wir“ uns als Gesell­schaft über­le­gen, wie wir „unsere“ For­scher bes­ser vor beläs­ti­gen­den und gewalt­be­rei­ten Rand­grup­pen und Mino­ritä­ten schüt­zen, damit sie auch wei­te­rhin das sta­tis­tisch belegte Ver­trauen des Groß­teils Bevöl­ke­rung genießen kön­nen. Dem­zu­folge, so der Vor­sit­zende des For­schung­sfonds, sollte man diese lauts­tarke Mino­rität nicht die Obe­rhand über die „schwei­gende Meh­rheit“ gewin­nen lassen.

Mit die­sen Aus­sa­gen möchte Dr. Schiltz selbst­verständ­lich nicht die Wis­sen­schaft vor jegli­cher Art von Kri­tik schüt­zen. Zwei­fel­los ken­nen wir alle das vulgär­wis­sen­schaft­liche Pop­per-Ste­reo­typ, dem­zu­folge Wis­sen­schaft immer nur pro­vi­so­risches Wis­sen ers­tellt, das von künf­ti­ger For­schung wider­legt wird. So soll dann, nach Dr. Schiltz, die Wis­sen­schaft stets kri­tisch hin­ter­fragt, stän­dig über­prüft und „even­tuell aktua­li­siert“ wer­den. Nur auf die rich­tige Art und Weise.

Stel­len wir auch unse­rer­seits klar : Beläs­ti­gung, Dro­hung, Raub, Ver­ge­wal­ti­gung, Fol­ter, Mord und Tot­schlag von Wis­sen­schaft­lern sind weder mora­lisch ver­tret­bar, noch recht­lich zuläs­sig. Und sie sind, all­ge­mei­ner, nicht nur gegenü­ber Wis­sen­schaft­lern unzuläs­sig. Beläs­ti­gung, Mord­dro­hung, Aufrufe zum Hass und öffent­liche Dif­fa­mie­rung sind auch gegenü­ber Nicht-Wis­sen­schaft­lern mora­lisch und recht­lich unzuläs­sig. Da nur wenige Men­schen daran zwei­feln dürf­ten, ein­schließ­lich der ima­ginä­ren Zugehö­ri­gen von Dr. Schiltz‘ hypo­the­ti­schen Rand­grup­pen, darf man sich fra­gen, was solche Mah­nung des Offen­sicht­lichs­ten bezweckt ?

Selbst­verständ­lich sollte man ein­minü­tige Schnell­dars­tel­lun­gen in der Art der Cartes Blanches, nicht erns­ter neh­men als andere zur Unte­rhal­tung bes­timm­ten öffent­liche Schein­dis­kurse. Mit der geteil­ten Annahme eini­ger Che­fre­dak­teure, dass luxem­bur­gische Zuhö­rer bes­ten­falls der Auf­merk­sam­keitss­panne eines durch­sch­nit­tli­chen Gold­fisches fähig sind (persön­liche Mit­tei­lung eines Che­fre­dak­teurs), kön­nen solche Eil­vor­träge kaum mehr als seich­teste Ober­flä­chen­be­hand­lung ihrer The­men ermö­gli­chen. Cartes Blanches sind also schon rein struk­tu­rell zum gedan­ken­lo­sen Kon­ju­gie­ren von Gemein­plät­zen ange­legt. Aus die­sem Wor­trau­schen aus­zu­bre­chen, bleibt den­noch gele­gent­lich teil­weise möglich.

Das ges­chieht para­doxer­weise auch dann, wenn sich der Autor eines sol­chen Ein­griffs einer Anei­nan­der­rei­hung offen­sicht­li­cher Fehl­schlüsse und mani­pu­la­ti­ver Selek­tion bedient, um genau das zu ver­sch­wei­gen, was es zu sagen gäbe. Wenn also Stroh­mann-Argu­mente, Schwarz-Weiß-Male­rei (appeal to extremes), Grup­pen­ge­ne­ra­li­sie­rung, Verknüp­fung­sfehl­schluss (conjunc­tion fal­la­cy), Ste­reo­ty­pi­sie­rung und Belieb­theit­sar­gu­ment (argu­men­tum ad popu­lum) in kür­zes­ter Dars­tel­lung für die Ver­tei­di­gung der Wis­sen­schaft mobi­li­siert wer­den, soll­ten wir hellhö­rig wer­den. Denn hier kommt es weni­ger auf das an, was gesagt wird und tri­vial anmu­tet als auf das, was indi­rekt mit­ge­dacht und nicht offen dar­ge­legt wird.

Volks­ve­rhet­zung, Ver­leum­dung, kal­ku­lierte Fal­sch­in­for­ma­tion und „Ver­schwö­rung­stheo­rie“ in „Pan­de­mien oder Klimawandel“-Debatten gehö­ren nicht aus­schließ­lich zu den dis­kur­si­ven Stra­te­gien gewalt­be­rei­ter Rand­grup­pen. Auch Wis­sen­schaft­ler, Ärzte, Poli­ti­ker, hohe Beamte und Jour­na­lis­ten bedie­nen sich gerne sol­cher rhe­to­ri­schen Tech­ni­ken, wenn es darum geht, die „schwei­gende Meh­rheit“ auf Linie zu brin­gen. Ein Bei­spiel soll genügen.

Ein staat­li­cher Wis­sen­schafts-Experte in Luxem­burg ließ die Tage­blatt-Leser und Radio 100,7‑Hörer regelmäßig wis­sen, dass die nicht Geimpf­ten „uns“, die Geimpf­ten, in „Gei­sel­haft“ neh­men, dass ungeimpfte Kin­der von ungeimpf­ten Eltern ein Risi­ko dars­tel­len und nicht zur Schule zuge­las­sen wer­den soll­ten, und dass ungeimpfte Eltern „Täter“, also Ver­bre­cher seien, die als „Viruszünd­sch­nur“ andere in Gefahr bräch­ten. Dabei war im August und im Sep­tem­ber 2021, als diese Exper­ten-Aus­sa­gen veröf­fent­licht wur­den, gelinde gesagt, die Wirk­sam­keit der Imp­fun­gen und die Gefähr­li­ch­keit des Virus für Kin­der kei­nes­falls so klar bewie­sen, wie es die Ver­leum­dun­gen, Verun­glimp­fun­gen und Has­sau­frufe des Wis­sen­schaft­lers voraus­setz­ten. Zuläs­sig waren solche mora­li­schen Abur­tei­lun­gen eines Wis­sen­schaft­lers ohne­hin nicht, auch wenn sich ihre Voraus­set­zun­gen bestä­tigt hätten.

Die­ser Wis­sen­schaft­ler dürfte im Übri­gen auch darü­ber infor­miert gewe­sen sein, dass die ret­ten­den Impf­fir­men zwecks Not­fall­zu­las­sung von Anfang an nur nach­wei­sen muss­ten, dass ihre pro­fi­table Waren­samm­lung sicher war und verhin­derte, dass geimpfte Men­schen krank wur­den. Am 11. Dezem­ber 2020, dem Tag der bes­chleu­nig­ten Not­fall­zu­las­sung der neuen Impf­stoffe durch die U.S. Food and Drug Admi­nis­tra­tion, schrieb diese gewollt vor­sich­tig, dass der COVID-19-Impf­stoff von Pfi­zer-BioN­Tech bei der Prä­ven­tion von COVID-19 wirk­sam sein könnte (sic!).1

Wer damals lesen konnte, oder lesen wollte, was man eigent­lich von einem Wis­sen­schaft­ler, aber auch einem Poli­ti­ker, hohen Beam­ten oder Jour­na­lis­ten hätte erwar­ten kön­nen, konnte in der pro­vi­so­ri­schen FDA-Zulas­sung lesen : „Zum jet­zi­gen Zeit­punkt lie­gen keine Daten vor, die eine Aus­sage darü­ber zulas­sen, wie lange der Impf­stoff schützt, und es gibt auch keine Hin­weise darauf, dass der Impf­stoff die Über­tra­gung von SARS-CoV‑2 von Mensch zu Mensch verhin­dert.“ Eine Aus­sage, die am 10. Okto­ber 2022 sei­tens der betrof­fe­nen Fir­ma von Janine Small, Prä­si­den­tin der inter­na­tio­na­len Deve­lo­ped Mar­kets von Pfi­zer, in einer Sit­zung des EP-Son­de­raus­schusses zur COVID-19-Pan­de­mie bestä­tigt wurde.2

Anhand von sol­chen Bei­spie­len, die man fast belie­big erwei­tern könnte, wird auch das rhe­to­rische Spiel von Dr. Schiltz‘ Carte Blanche verständ­li­cher. Die­ser wie­de­rholt näm­lich der ein­ge­fah­re­nen poli­tisch-media­len Mus­ters der Schwarz-Weiß-Male­rei, um zwei bekannte ima­ginäre Grup­pie­run­gen gegenü­ber­zus­tel­len : die homo­gene Gruppe der Wis­sen­schaft­ler und der schwei­gen­den, aner­ken­nen­den Volks­meh­rheit und das ein­heit­liche Lager einer gewalt­be­rei­ten Rand­gruppe von „Ver­schwö­rung­stheo­re­ti­kern“.

Das heißt dann auch, dass Wis­sen­schaft­ler und Ärzte, die der Wis­sen­schaft des Vor­sit­zen­den des natio­na­len For­schung­sfonds und den staat­li­chen Exper­ten widers­pra­chen, und deren gab es nicht wenige, die­ser Alter­na­tive zufolge den „Ver­schwö­rung­stheo­re­ti­kern“ zuge­rech­net wer­den müs­sen. Science oblige.

Fol­glich vers­teht man auch, was das staat­liche Wis­sen­schafts­verständ­nis, als ein­zig akzep­table Kri­tik vers­teht. Als ange­mes­sene wis­sen­schaft­liche Kri­tik gilt nur solche, die nicht an den staat­li­chen Grundü­ber­zeu­gun­gen rüt­telt. Dass sich diese Über­zeu­gun­gen von Anfang an weni­ger auf sti­ch­feste For­schung, als auf oppor­tu­nis­tisches Mar­ke­ting, mani­pu­la­tives Nud­ging und fak­ten­freie Hypo­the­sen stüt­zen, dürfte inz­wi­schen auch der rhe­to­risch zuträ­gli­chen „schwei­gen­den Meh­rheit“ bewuss­ter gewor­den sein.

Die­selbe Beo­bach­tung ließe sich auch auf den Unter­schied zwi­schen den von wis­sen­schaft­li­chen Stu­dien ers­tell­ten Ster­bli­ch­keits­ra­ten einer­seits und der durch die ges­chickt pro­vo­zier­ten Scho­ckef­fekte3 poli­tisch-media­len „Covid-Krise“ ande­rer­seits anwen­den. Denn die wis­sen­schaft­li­chen Ergeb­nisse haben sich von Sep­tem­ber 20204, über das WGO-Bul­le­tin von Anfang 20215, bis heute6 nicht ent­schei­dend verändert.

Gegen die popu­lis­tisch-mani­pu­la­ti­ven Freud-Feind Verein­fa­chun­gen des For­schung­sfonds-CEOs, müs­sen wir auch fests­tel­len, dass die Angehö­ri­gen bei­der erdich­te­ter Grup­pie­run­gen Ver­leum­dun­gen, Hass­re­den und vorsätz­liche Des­in­for­ma­tion betrie­ben. Hin­zu kam, dass demons­trie­rende kri­tische Bür­ger, die sich schwer­lich auf gewalt­be­reite Rand­grup­pen redu­zie­ren ließen, nicht nur im Extrem­fall der real bewaff­ne­ten Gewalt von bel­gi­schen Son­de­rein­satz­trup­pen expo­niert waren.

Seit Dezem­ber 2020 schien es also klar, dass die Unter­schei­dung­sli­nie zwi­schen mani­pu­la­ti­ven „Ver­schwö­rung­stheo­re­ti­kern“ und erns­thaf­ten Wis­sen­schaft­lern sich mit­ten durch die Wis­sen­schaft, also mit­ten durch die poli­tisch kons­truierte Fik­tion des soge­nann­ten wis­sen­schaft­li­chen Kon­senses hin­durch zog. Die nicht fun­dierte Dis­kri­mi­nie­rung von Ungeimpf­ten, diente und dient offen­sicht­lich immer noch als mora­lisch auf­ge­la­dene Ver­tei­di­gung einer klar defi­nier­ten, staats­tra­gen­den Wissenschaft.

Was bei der Ver­tei­di­gung­srede die­ser Staats­wis­sen­schaft von Dr. Schiltz also ver­sch­wie­gen wurde, ist das wirk­liche Unter­schei­dung­skri­te­rium zwi­schen guter Wis­sen­schaft und ver­schwö­re­ri­scher Des­in­for­ma­tion. Wie unter­schei­den die staat­li­chen Exper­ten in die­sem Fall Wis­sen­schaft von Des­in­for­ma­tion, wahre Exper­ten von „Ver­schwö­rung­stheo­re­ti­kern“?

Die Ant­wort auf diese Frage fin­det man selbst­verständ­lich nicht in der besag­ten Carte Blanche son­dern, im staatsü­bli­chen Mar­ke­ting­jar­gon, auf den Web­sei­ten des natio­na­len For­schung­sfonds. Dort liest man, dass sich das FNR für die „öffent­liche For­schung als Wett­be­werbs für Luxem­burg“ mit den Mit­teln des Staates und der Pri­vat­wirt­schaft ein­setzt.7 Staat­lich-pri­vate Wis­sen­schaft ist dem­gemäß, genau­so wie die sons­tige natio­nale Poli­tik auch, vor­ran­gig, wenn nicht aus­schließ­lich auf ihren Markt­wert im wirt­schaft­li­chen Wett­kampf ange­legt. Dements­pre­chend ist dann auch das „natio­nale Inter­esse“ an der Wis­sen­schaft zu verstehen.

Was das im Fall der „Covid-Krise“ kon­kret heißen kann, habe ich in einer detaillier­te­ren Unter­su­chung im Juni 2021 dar­ges­tellt.8 Ähn­liche Unter­su­chun­gen zur gewinn­brin­gen­den wis­sen­schaft­li­chen Gesund­heits­po­li­tik wur­den auch im April 20209 in zwei Repor­ter.lu Arti­kel veröffentlicht.

Noch offen­sicht­li­cher wer­den die Ziele sol­cher öffent­lich-pri­va­ten Inter­es­sen­sy­ner­gien, wenn man weiß, dass hohe minis­te­rielle Beamte auch persön­lich von den stil­len wis­sen­schaft­li­chen Part­ner­schaf­ten als pri­vate Aktionäre pro­fi­tie­ren. So erklärte z. B. der Direk­tor des natio­na­len Gesund­heit­samts im Repor​ter​.lu Inter­view10, dass solche als Inter­es­sen­kon­flikte anmu­ten­den Kon­ver­gen­zen kei­nes­wegs pro­ble­ma­tisch sind. Imme­rhin wer­den hohe Beam­ten „von den Behör­den ermu­tigt, (ihre) persön­li­chen Ers­par­nisse in pri­vate Unter­neh­men zu inves­tie­ren“ (sic!), die dann als ges­chäft­liche Part­ner des Staates fun­gie­ren. Hon­ni qui mal y pense.

Man möchte fast gerne wis­sen, in wel­chem Aus­maß sich auch die gefähr­de­ten öffent­li­chen Wis­sen­schaft­ler und Exper­ten an sol­chen staat­lich-pri­va­ten Best Prac­tices beteiligen.

Wer sich diese staat­liche Wis­sen­schaft dann noch näher ansieht, wird schnell auf kom­plexe finan­zielle und persön­liche (Inter­es­sen­kon­flikte, Per­so­na­lu­nion, zwei­fel­hafte Ein­fluss­nahme und Inter­es­sen­ver­tre­tung, Ver­mi­schung von Poli­tik, Amt und Wirt­schaft, usw.) Ver­schach­te­lun­gen stoßen, die den kom­pli­zier­ten Kons­truk­tio­nen der ehe­ma­li­gen Pana­ma-Hol­dings in nichts nachs­te­hen. Denn die wirt­schafts­po­li­tisch-wis­sen­schaft­lich-öffent­lich-pri­vate Inter­es­sen­sy­ner­gies des Staates reicht von den Minis­te­rien für Hoch­schul­bil­dung und For­schung, für Gesund­heit und für Wirt­schaft über die dis­krete natio­nale Kre­dit- und Inves­ti­tions­ge­sell­schaft und deren Exzel­lenz-Part­ner, das Luxem­bourg Ins­ti­tute of Science and Tech­no­lo­gy (‚wis­sen­schaft­liche‘ Mis­sion : „Ver­jün­gung der Indus­trie, Moder­ni­sie­rung der Mobi­lität, Digi­ta­li­sie­rung der Wirt­schaft, usw“), bis in den Vors­tand der bel­va­ler Startup-Universität.

Nicht umsonst lesen sich die Selbst­dars­tel­lun­gen des natio­na­len Recher­che­fonds, des Ins­ti­tuts für Gesund­heit (LIH), des Ins­ti­tuts für Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie (LIST) und teil­weise sogar der Uni­ver­sität, wie die R&D Inves­ti­tionss­tra­te­gien von PwC, KPMG, Ernst and Young und sons­ti­gen Deloitte. Diese Stra­te­gien bes­tim­men dann auch eine wis­sen­schaft­liche For­schung, die vor allem als staat­lich unterstütztes Inves­ti­tions- und Mar­ke­ting­pro­dukt fun­giert. Aus der staat­lich-pri­va­ten Pers­pek­tive der Return-on-Invest­ment-Berech­nun­gen ist Wis­sen­schaft das, was gewinn­brin­gendes Wis­sen schafft.11

Wie der Fall des Large Scale Tes­ting zeigte, nutzt Wis­sen­schaft dann in der Tat eini­gen Gesell­schaften, wenn auch nicht unbe­dingt der Gesell­schaft. Aber, wer­den die Wis­sen­schafts­ma­na­ger ein­wen­den, Unter­neh­men sind auch nur Men­schen, und Beam­tete und Wis­sen­schaft­ler sind auch Aktionäre.

Fol­gen wir also den Emp­feh­lun­gen von Staat, Poli­tik und deren pri­vat­wirt­schaft­li­chen Consul­ting­fir­men und Inves­to­ren, die gemein­sam an der ein­trä­gli­chen pri­va­ten Staats­wis­sen­schaft arbei­ten. Denn Kri­ti­ker die­ser Wis­sen­schaft, seien sie Wis­sen­schaft­ler, Poli­ti­ker, Jour­na­lis­ten oder selbst das pro­tes­tie­rende Volk, wir­ken bei die­ser Wis­sen­schaft ins­ge­samt ges­chäfts­schä­di­gend und sabo­tie­ren die wah­ren unter­neh­me­ri­schen Werte der Demokratie. 

Deshalb bedarf es weni­ger der Kri­tik als der stil­len Akk­la­ma­tion der schwei­gen­den Meh­rheit. Nur sie garan­tiert die vom For­schung­sfonds gefor­derte wis­sen­schaft­liche Frei­heit, und unterstützt unbe­merkt den ges­chäftsför­dern­den Wett­be­werbs­vor­teil für Luxemburg.

Notes

  1. Com­mis­sio­ner, Office of the. 2020. « FDA Takes Key Action in Fight Against COVID-19 By Issuing Emer­gen­cy Use Autho­ri­za­tion for First COVID-19 Vac­cine ». FDA. Consul­té le 5 décembre 2022 (https://​www​.fda​.gov/​n​e​w​s​-​e​v​e​n​t​s​/​p​r​e​s​s​-​a​n​n​o​u​n​c​e​m​e​n​t​s​/​f​d​a​-​t​a​k​e​s​-​k​e​y​-​a​c​t​i​o​n​-​f​i​g​h​t​-​a​g​a​i​n​s​t​-​c​o​v​i​d​-​1​9​-​i​s​s​u​i​n​g​-​e​m​e​r​g​e​n​c​y​-​u​s​e​-​a​u​t​h​o​r​i​z​a​t​i​o​n​-​f​i​r​s​t​-​c​o​v​i​d​-19). ↩︎
  2. https://​mul​ti​me​dia​.euro​parl​.euro​pa​.eu/​e​n​/​v​i​d​e​o​/​l​e​s​s​o​n​s​-​l​e​a​r​n​e​d​-​a​n​d​-​r​e​c​o​m​m​e​n​d​a​t​i​o​n​s​-​f​o​r​-​t​h​e​-​f​u​t​u​r​e​-​e​x​t​r​a​c​t​s​-​f​r​o​m​-​t​h​e​-​e​x​c​h​a​n​g​e​-​o​f​-​v​i​e​w​s​-​e​p​-​s​p​e​c​i​a​l​-​c​o​m​m​i​t​t​e​e​-​o​n​-​t​h​e​-​c​o​v​i​d​-​1​9​-​p​a​n​d​e​m​i​c​_​I​2​3​1​213 ↩︎
  3. S. Bude, Heinz. 2022. « Aus dem Maschi­nen­raum der Bera­tung in Zei­ten der Pan­de­mie ». Sozio­lo­gie 51(3):245‑55. ↩︎
  4. Ioan­ni­dis, John P. A., Cathrine Axfors, et Des­pi­na G. Conto­pou­los-Ioan­ni­dis. 2020. « Popu­la­tion-Level COVID-19 Mor­ta­li­ty Risk for Non-Elder­ly Indi­vi­duals Ove­rall and for Non-Elder­ly Indi­vi­duals without Under­lying Diseases in Pan­de­mic Epi­cen­ters ». Envi­ron­men­tal Research 188:109890 ↩︎
  5. Ioan­ni­dis, John P. A. 2021. « Infec­tion fata­li­ty rate of COVID-19 infer­red from sero­pre­va­lence data ». Bul­le­tin of the World Health Orga­ni­za­tion 99(1):19 – 33F. ↩︎
  6. COVID-19 Fore­cas­ting Team. 2022. « Varia­tion in the COVID-19 Infec­tion – Fata­li­ty Ratio by Age, Time, and Geo­gra­phy during the Pre-Vac­cine Era : A Sys­te­ma­tic Ana­ly­sis ». The Lan­cet 399(10334):1469‑88. Pez­zul­lo, Ange­lo Maria, Cathrine Axfors, Des­pi­na G. Conto­pou­los-Ioan­ni­dis, Alexandre Apos­to­la­tos, et John P. A. Ioan­ni­dis. 2022. « Age-Stra­ti­fied Infec­tion Fata­li­ty Rate of COVID-19 in the Non-Elder­ly Infor­med from Pre-Vac­ci­na­tion Natio­nal Sero­pre­va­lence Stu­dies ». medRxiv 2022.10.11.22280963 ; doi : https://​doi​.org/​1​0​.​1​1​0​1​/​2​0​2​2​.​1​0​.​1​1​.​2​2​2​8​0​963
  7. https://​www​.fnr​.lu/​w​h​a​t​-​w​e​-​do/ ↩︎
  8. S. « Les petits arran­ge­ments d’un grand dépis­tage » ↩︎
  9. Pou­jol, Véro­nique Schmit, Laurent 2020. „Coro­na-Mas­sen­tests : Eine halbe Mil­lion Zwei­fel“. Repor​ter​.lu. (https://​www​.repor​ter​.lu/​l​u​x​e​m​b​u​r​g​-​u​m​s​t​r​i​t​t​e​n​e​-​c​o​r​o​n​a​-​m​a​s​s​e​n​t​e​s​t​s​-​e​i​n​e​-​h​a​l​b​e​-​m​i​l​l​i​o​n​-​z​w​e​i​f​el/ ).
    Pou­jol, Véro­nique. 2020. „Tests de dépis­tage au coro­na­vi­rus : Une ombre sur la stra­té­gie du gou­ver­ne­ment“. Repor​ter​.lu. (https://​www​.repor​ter​.lu/​l​u​x​e​m​b​o​u​r​g​-​c​o​r​o​n​a​v​i​r​u​s​-​u​n​e​-​o​m​b​r​e​-​s​u​r​-​l​a​-​c​a​m​p​a​g​n​e​-​d​e​-​t​e​s​t​s​-​d​e​-​d​e​p​i​s​t​a​g​e​-​m​a​s​s​i​fs/ ). ↩︎
  10. Pou­jol, Véro­nique. 2022. „Dépis­tage du Covid : Remous autour d’un labo­ra­toire de recherche“. Repor​ter​.lu. (https://​www​.repor​ter​.lu/​l​u​x​e​m​b​o​u​r​g​-​c​o​v​i​d​-​r​e​m​o​u​s​-​a​u​t​o​u​r​-​d​u​n​-​l​a​b​o​r​a​t​o​i​r​e​-​d​e​-​r​e​c​h​e​r​c​he/ ). ↩︎
  11. In dem Sinn bek­lagte Michel Pau­ly, Senior Pro­fes­sor für Ges­chichte an der Uni­ver­sität Luxem­burg, dass das natio­nale For­schung­sfonds lite­ra­rische, sozial– und human­wis­sen­schaft­liche Bücher nicht finan­ziell unterstütze. Dabei könn­ten, so der Pro­fes­sor, lite­ra­rische und wis­sen­schaft­liche Bücher, dur­chaus zum Nation-Bran­ding, also dem inter­na­tio­na­len poli­tisch-wirt­schaft­li­chen Mar­ke­ting Luxem­burgs, bei­tra­gen. (Pau­ly, Michel. 12 juillet 2018. « E Plä­doyer fir d’wëssenschaftlecht Buch ». radio 100,7. (https://www.100komma7.lu/article/kultur/e‑pladoyer-fir-d-wessenschaftlecht-buch).) ↩︎